Das aktuelle sz-Magazin hat einen Ossi-Schwerpunkt. Der Beitrag ‚Mein erster Ossi‘ war ja noch ganz amüsant und aufmunternd, aber gleichzeitig auch entlarvend: da hat wohl einer weit mehr erreicht, als von einem ‚Ossi‘ zu erwarten war. Entmutigend ist hingegen die ‚Geschlossene Gesellschaft‘ die Deutschland als Westdeutschland für ehemalige DDR-Bürger_innen und ihren Nachwuchs wohl immer noch ist. Wen’s nicht betrifft, macht es vielleicht nicht ganz so betroffen, aber ich bin eben ‚eine von denen‘. So eine Reaktion eines Hamburgers auf meine Herkunftsangabe deutlich mehr als 10 Jahre nach der Wende.
Mir wird gerade mal wieder klar, dass ich einfach nicht dazu lerne: Ich will immer wieder mit dem Kopf durch die Wand. Weiblich, ohne akademischen Familienhintergrund und aus dem Osten – aber klar, ich schaff es locker bis in die universitäre Elite, die sich am liebsten selbst reproduziert und sich mehrheitlich aus westdeutschen männlichen Vertreteren des Bildungsbürgertums zusammensetzt. Ich erinnere mich gut daran, wie wohl ich mich vor einer Weile in der Sprechstunde einer ostdeutschen Professorin gefühlt habe – woran das wohl lag? Zu allem Überfluss habe ich auch gerade an anderer Stelle, wie besonders normativ die Disziplin aufgestellt ist, für die ich mich entschieden habe. Zumindest in den USA wird da nicht-heteronormativ Lebenden ganz deutlich gesagt, was sie besser tun und lassen sollten, wenn sie tatsächlich eine Festanstellung an der Uni wollen. Mich schaudert’s. Aber noch bin ich nicht bereit, klein beizugeben.
Zum Glück war das nicht alles aus dem sz-magazin. Ich habe entdeckt, dass ich doch zu zumindest einem sehr exklusiven Kreis gehöre, der nicht als Diskriminierungsmerkmal taugen sollte: verheiratet mit einem Wessi. Nur 4% der Eheschließenden sind so mutig und wagen es, den interkulturellen Austausch so zu verbriefen. Das geht sicher auch alles ohne zu heiraten, aber diese vier Prozent lassen doch darauf schließen, dass nur wenige es überhaupt versuchen – ob mit oder ohne Trauschein. Die Begründungsversuche der Autorin überzeugen mich nicht so ganz, sie ist aber die zehn Jahre älter als ich, die hier wohl einen entscheidenden Unterschied machen. Ansonsten musste ich feststellen, mein Wessi ist wohl nur ein halber, denn als Westberliner gehören Pittiplatsch und Schnatterinchen zu seiner Kindheit, die Mauer kennt er auch und er ist kein bisschen überheblich oder oberflächlich. Er und die Bekanntschaft mit seiner ‚ganz normalen‘ Familie haben meine Stereotypen über Wessis deutlich ins Wanken gebracht. Da er auch der erste Wessi ist, den ich wirklich kennen gelernt habe, sind wir wieder bei der ersten Story und dabei, wie wichtig es offensichtlich ist, das Andere und Fremde nah genug an sich herankommen zu lassen, um zu erfahren, wie es wirklich ist. Und an diesem Punkt kommt noch ein weiterer sz-Artikel ins Spiel, in dem ein paar Wessis von Trips in den Osten berichten und wie toll es dort ist. Wenn das nicht Exotismus ist, weiß ich auch nicht.